
Stand: 06.01.2023 15:03
Die Inflation in der Eurozone ging gegen Ende des Jahres weiter zurück. Die Verbraucherpreise stiegen um 9,2 Prozent, weniger als erwartet. Auf der anderen Seite stieg die Kerninflationsrate.
Die Inflation in der Eurozone war im Dezember schwächer als erwartet. Nach vorläufigen Schätzungen des Statistikamts Eurostat stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 9,2 Prozent. Volkswirte hatten im Dezember mit einer durchschnittlichen Rate von 9,5 Prozent gerechnet. Die Inflation lag im November noch bei 10,1 Prozent.
Die Kerninflationsrate erreichte 5,2 Prozent
Andererseits stieg die Kerninflation ohne Energie und Nahrungsmittel von 5,0 Prozent auf 5,2 Prozent. Volkswirte hatten mit 5,1 Prozent gerechnet. Ökonomen achten derzeit genau auf diese Zahl, weil sie zeigt, wie stark die Unternehmen die Kosten an die Verbraucher weitergeben. Dies kann zu sogenannten Zweitrundeneffekten in Form höherer Lohnforderungen führen. Experten sprechen von einer Preis-Lohn-Spirale.
Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, bleibt deshalb vorsichtig: „Die Inflation geht zurück, aber der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht vorbei“, sagte er. Aufgrund fehlender staatlicher Hilfen kommt es bereits im Januar zu einem Backlash. “Zumindest scheint der Höhepunkt der Inflation überwunden zu sein.”
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Kremer sagte, ein echter Einbruch an der Kursfront komme nicht in Frage. „Die Inflation im Euroraum hat sich erst deutlich verlangsamt, weil Kraftstoff und Heizöl billiger geworden sind und die Bundesregierung im Dezember für viele Bürger die Gaszahlungen übernommen hat.“
Die Energiepreise haben die Inflation im Dezember erneut in die Höhe getrieben, wenn auch nicht so stark. Die Energiepreise stiegen im Jahresvergleich um 25,7 Prozent, nach 34,9 Prozent im November. Lebensmittel-, Alkohol- und Tabakpreise stiegen um 13,8 Prozent von 13,6 Prozent im November. Die Preise für Industriegüter ohne Energie stiegen im Dezember um 6,4 Prozent. Im November betrug das Wachstum 6,1 Prozent. Dienstleistungen wuchsen im Dezember um 4,4 Prozent nach 4,2 Prozent im November.
Frankreichs Notenbankchef rechnet mit einem Ende der Zinserhöhungen im Sommer
Erstmals seit Mitte 2021 ist die Inflation im Euroraum im November auf 10,1 Prozent gesunken. Aus diesem Grund zog die Europäische Zentralbank (EZB) im Dezember etwas vom Gas und erhöhte die Leitzinsen um 0,50 Prozentpunkte, nach zwei Jumbo-Zinserhöhungen um jeweils 0,75 Prozentpunkte. EZB-Präsidentin Christine Lagarde stellte kürzlich weitere Zinserhöhungen in Aussicht und signalisierte, dass der halbe Prozentsatz bei der nächsten Sitzung beibehalten werde.
Francois Villeroy de Galhou, Chef der französischen Zentralbank, hofft, dass die EZB-Zinsen im Sommer endlich ihren Höchststand erreichen werden. „Es wäre wünschenswert, bis zum nächsten Sommer eine ordentliche ‚Abschlussquote‘ zu haben“, sagte er gestern in seiner Neujahrsansprache. Es ist jedoch noch zu früh, um zu sagen, wie viel.
Der Leitzins der Eurozone, der jahrelang auf einem Rekordtief von null Prozent eingefroren war, liegt nun bei 2,50 Prozent. Am 2. Februar geben die europäischen Währungshüter ihre erste Zinsentscheidung des neuen Jahres bekannt. Als Idealwert für die Eurozone hat die EZB ein Inflationsziel von zwei Prozent festgelegt. Von diesem Ziel ist man derzeit noch weit entfernt.
Die Erzeugerpreise in Europa und die Inflation in Deutschland steigen langsamer
Gestern hatten die Erzeugerpreise bereits ein Abflauen der Inflationswelle signalisiert. Die Produzenten in der Eurozone drehen zuletzt nicht mehr stark an der Preisschraube: Laut Eurostat sind die Erzeugerpreise der Industrie im November um 27,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. Im Oktober betrug das Wachstum noch 30,5 Prozent und im September 41,9 Prozent.
Im Energiesektor verzeichnete der November im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Wachstum von 55,7 Prozent, gefolgt von einem Wachstum von 64,9 Prozent im Oktober. Ohne teure Energie stiegen die Erzeugerpreise in der Industrie nur um 13,1 Prozent. Im Oktober lag dieser Wert noch bei 14,0 Prozent. In der Statistik werden die Preise ab Werkstor aufgeführt – also bevor die Produkte weiterverarbeitet oder verkauft werden. Sie gelten daher als Frühindikatoren für die Verbraucherpreisentwicklung.
Auch in Deutschland war sie zuletzt langsamer gewachsen. Die Inflation lag im Dezember bei 8,6 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in seiner ersten Schätzung zu Jahresbeginn mitteilte. Zuvor war die Inflation in diesem Land drei Monate in Folge zweistellig. Im November sank die Inflationsrate erstmals seit Juli und lag bei 10,0 Prozent. Insgesamt werden die Verbraucherpreise in Deutschland im Jahr 2022 voraussichtlich um 7,9 Prozent steigen, so stark wie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik.