Ex-KZ-Sekretärin aus Stutthof bricht Schweigen: “Es tut mir leid”

In Schleswig-Holstein steht ein ehemaliger KZ-Sekretär vor Gericht. Ihr Verteidiger fordert einen Freispruch. Jetzt brach sie zum ersten Mal ihr Schweigen.

Am vorletzten Tag des Prozesses gegen die ehemalige Sekretärin im KZ Stutthof brach die Angeklagte überraschend ihr Schweigen. „Es tut mir leid, was alles passiert ist“, sagte Irmgard F. am Dienstag in ihrer Schlusserklärung vor dem Amtsgericht Itzehoe. Der 97-Jährige fügte hinzu: „Ich bereue es, damals in Stutthof gewesen zu sein. Das ist alles, was ich sagen kann.“

Ihr Verteidiger Wolf Molkentin hatte zuvor einen Freispruch beantragt. Die Beweise in dem Prozess, der mehr als 14 Monate gedauert hat, haben wenig konkrete Informationen geliefert. „Unüberwindbare Zweifel bleiben“, sagte Molkentin. Der Angeklagte ist daher freizusprechen.

Die Staatsanwaltschaft beantragt die Feststellung von Jugendarrest

Die Staatsanwaltschaft beantragte für den Jugendlichen eine zweijährige Bewährungsstrafe. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass sich der damals 18- bis 19-jährige Angeklagte an mehr als 10.000 heimtückischen und grausamen Morden beteiligt hatte. Irmgard F. soll von Juni 1943 bis April 1945 als Beamtin im KZ-Kommando bei Danzig gearbeitet haben. Der Jugendrat will sein Urteil am 20. Dezember verkünden.

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Der Angeklagte erschien am ersten Verhandlungstag am 30. September vergangenen Jahres nicht. Wenige Stunden später wurde sie in Hamburg festgenommen. Sie verbrachte fünf Tage in Untersuchungshaft. Sie machte vor Gericht keine Angaben, auch nicht zu ihren persönlichen Verhältnissen. Ihr Anwalt betonte am Dienstag, sie habe das Verfahren nach anfänglichem Zögern ohne „Wenn“ und „Aber“ akzeptiert.

Verteidiger: Es gibt keine Beweise für eine vollständige Mittäterschaft

Zu Beginn seines Plädoyers würdigte Molkentin die „beeindruckenden und erschütternden Geschichten von Überlebenden“ im Prozess. „Dass Stutthof die Hölle war, war im Vorfeld nicht zu bezweifeln“, sagte der Jurist. Die Hauptverbrechen, nämlich die tausendfachen Morde im Lager, sind unbestritten. Verteidigung kann den Überlebenden nur mit großem Respekt geschenkt werden. Diese Haltung widerspricht jedoch nicht der engagierten Verteidigung des Angeklagten.

Dass sie den gleichen Kenntnisstand über die damaligen Verbrechen im Lager habe wie Kommandant Paul Werner Hoppe, bleibe eine Hypothese, die nicht im Geringsten bewiesen sei, sagte Molkentin. Es gab mehrere Schreibkräfte im Kommando. Dabei tauchte kein einziges Dokument mit den Initialen des Angeklagten auf. Der Geschichtsexperte Stefan Hördler erklärte, alle Schreibkräfte seien Geheimnisträger. Dies wurde jedoch in den Beweisen nicht bestätigt. Der Angeklagte hatte keine herausragende Vertrauensstellung.

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Als die Lagerverwaltung Ende Oktober 1944 mit der Durchführung von “Sonderaufgaben” – dem Sprachcode für Massenmord – begann, richtete sie eine parallele Struktur für die Schreibarbeit im Kommando ein. Ziel sei eine besondere Geheimhaltung, erklärte der Verteidiger. Der zentrale Mordbefehl zur Vernichtung jüdischer Häftlinge wurde Hoppe in Berlin persönlich und mündlich übergeben. Massenmord wurde in keinem der vor Gericht verlesenen Dokumente erwähnt.

Sie sagen, die Sekretärin wisse weniger als die Wache

Molkentin erklärte weiter, dass die Möglichkeiten für den Angeklagten, sich selbst ein Bild von den Zuständen und Ereignissen im Lager zu machen, viel geringer seien als für die Wache. Bruno D., der 2020 wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 5.000 Fällen vor dem Landgericht Hamburg zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war, stand auf der Wache in Stutthof und konnte sich im Lager bewegen.

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Irmgard F. hingegen konnte das Lager selbst nicht betreten. Von ihrem Arbeitsplatz aus konnte sie nur das Tor des alten Lagers und in einiger Entfernung Teile des Weges im neuen Lager sehen. Die sogenannte Prügelstrafe, der Galgen, die Gaskammer und das Krematorium waren außer Sichtweite.

Dass der Angeklagte das sogenannte Freudenfeuer gerochen haben muss, wo im Wald Leichen verbrannt wurden, oder dass er gelegentlich Schüsse und Schreie hörte, sind nur Vermutungen der Nebenkläger. “Wir waren nicht dabei, wir wissen nicht, wie es war”, bestätigte Molkentin nach der Anhörung.

Irmgard F. habe keine SS-Ausbildung absolviert, argumentierte die Verteidigung in ihrem Plädoyer. Vor ihrem Aufenthalt in Stutthof arbeitete sie in einer Filiale der Bank, die dann geschlossen wurde. Als sie die Stelle in Stutthof annahm, war das Lager laut Mitstaatsanwalt Rajmund Niwinski ein “normales Arbeitslager”. Sie darf nicht den Eindruck gewonnen haben, dass der einzige Zweck des Lagers damals darin bestand, Häftlinge zu töten. Ob ihr später klar wurde, dass Stutthof in ein Vernichtungslager umgewandelt wurde, ist nicht belegbar.

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